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Im Nachfolgenden möchten wir gerne etwas mehr über unsere ehrenamtliche Tätigkeit aufklären. Denn prinzipiell handelt es sich hierbei um keine allzu „greifbare Arbeit“, wie dies bei anderen Vereinen der Fall ist. Zumeist denkt man bei Solifonds nur an eine finanzielle Unterstützung, nicht aber an die persönlichen Schicksale dahinter.

Es gibt viele Möglichkeiten, bei denen man als Studierender in finanzielle Not geraten kann. Doch ist man nicht selbst in solch einer Situation gewesen, kann man sich vielleicht nicht viel darunter vorstellen. Jeder Einzelne hat aber eine eigene, ganz besondere Geschichte, die hinter einer Förderung steckt. Einige davon, möchten wir hier vorstellen und zeigen, wie Solifonds zu einer positiven Entwicklung beitragen konnte.

Falls Sie auch vom Solifonds gefördert wurden und Interesse haben, Ihre Geschichte zu veröffentlichen, melden Sie sich bei kontakt@solifonds-giessen.de

Ein langer Weg bis zum Ziel

In ein anderes Land zu reisen ist eine Sache, dort zu leben, aber eine ganz andere. Diese Erfahrung machen viele, die nach Deutschland kommen und hier ein Studium absolvieren möchten.

So auch ein 29-jähriger Student aus Kamerun. Er kam vor acht Jahren ganz alleine hierher und seine erste große Hürde war zunächst die Sprache. Denn um an einer deutschen Hochschule oder Universität studieren zu dürfen, müssen ausländische Studienanwärter zunächst einen DSH Test absolvieren. Hierbei sollen die Bewerber geprüft werden, ob sie überhaupt in der Lage dazu sind, ein deutsches Studium mündlich und schriftlich verstehen zu können. Gegen eine Prüfungsgebühr, kann dieser Test dann an der Universität abgelegt werden, in welcher der Bewerber später auch studieren möchte. Da der Kameruner die für ihn kostspieligen Deutschkurse selbst finanzieren musste, hat er dementsprechend auch ein Jahr benötigt, um den DSH Test zu bestehen.

Doch wofür eigentlich dieser ganze Aufwand? Der 29-Jährige studiert momentan seinen Wunschstudiengang: Allgemeine Elektrotechnik. „Es ist zwar sehr anstrengend, aber es macht mir trotzdem Spaß. In meiner Heimat hätte ich nicht die Möglichkeit gehabt Elektrotechnik zu studieren, weil dieser Studiengang nicht in meinem Heimatland existiert bzw. nicht mit derselben Qualität wie hier.“, so der Kameruner. Deutsche Abschlüsse sind weltweit sehr gefragt und gesucht, daher ist das Angebot hier auch sehr vielfältig.

Aber nur wenige, können sich ein Studium hier überhaupt leisten. Ausländische Studierende, die lediglich mit einem Aufenthaltstitel für ihr Studium hier sind, haben keinen Anspruch auf BAföG. Allerdings tragen sie dieselben Kosten für ein Studium, wie deutsche Studenten und Studentinnen. Hinzu kommt noch die Prämisse, dass der Euro eine der stärksten Währungen der Welt ist. „Mit umgerechnet einem Euro kann man sich in Kamerun genug Brot, Kaffee und Milch kaufen und sogar in manchen Restaurants essen“, antwortete der kamerunische Student.

Dementsprechend weniger kann man somit in der Währung eines anderen Landes in Deutschland erwerben. Auf genau dieses Problem stoßen ausländische Studierende immer wieder. Sie fallen durch das „soziale Förderraster“ der Regierung und können sich meist nur durch Nebenjobs finanzieren. Kommen dann noch größere Ausgaben hinzu, die nicht kalkulierbar waren, stehen sie dann meistens vor einer finanziellen Notsituation.

So auch der 29-Jährige, der mit seiner Freundin und seinem Kind in einer Wohnung lebt. Während der Corona Pandemie war er einer vor vielen, die ihren Job verloren haben, und damit vor einer finanziellen Krise standen. Ihnen sollte die Wohnung fristlos gekündigt werden, weil der Student schlicht und ergreifend die Miete nicht mehr zahlen konnte. Hier konnte ihm Solifonds e.V. zum Glück weiterhelfen mit einer überbrückenden Beihilfe für Miete, Krankenversicherung und Lebenshaltungskosten. So konnte ihm die Suche nach einer neuen Wohnung und der Umzug mit einem kleinen Kind ersparen werden. Zusätzlich dazu, hat die kleine Familie den Kinderzuschuss von Solifonds e.V. erhalten, da ausländische Studierende auch keinen Anspruch auf Kinder- und Elterngeld von staatlicher Seite haben.

In einem Jahr möchte der Student seinen Abschluss in den Händen halten und dann hier in Deutschland arbeiten. Zudem plant der 29-Jährige dann, sein eigenes, gemeinnütziges Projekt in Kamerun zu starten. Dieses möchte er zum Teil mit seinem eigenen Einkommen, aber auch mit Spendengeldern finanzieren. Er hat auch schon konkrete Pläne dafür: „Ich möchte Solarenergie in den Dörfern in Kamerun installieren, um es den Studenten aus diesen abgelegenen Gebieten zu ermöglichen, in der Nacht normal lernen zu können. Ich möchte dann gerne in jedem dieser Dörfer einen Wasserpunkt installieren, damit die Kinder keine Kilometer mehr zurücklegen müssen, um Zugang zu Trinkwasser zu erhalten.“ Kurz gesagt will der Student auch anderen die Unterstützung zukommen lassen, die sie dringend benötigen.

Copyright: Carolin Wagner

Geld regiert die Welt

Die Bürger Deutschlands haben das Glück in einer Demokratie leben zu dürfen. Hier kann man seine Meinung frei äußern und jeder hat das Recht selbstbestimmt und ohne Zwang von Außen leben zu dürfen. Doch leider ist das keine Selbstverständlichkeit für manch andere Ecken auf dieser Welt.

Um sich mit den unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Themen näher auseinanderzusetzen, hat die Justus-Liebig-Universität Gießen als erste Universität Deutschlands den Studiengang „Transition Management“ entwickelt. Hierin geht es vor allem um die Beobachtung von vielen Transformations- und Schwellenländern weltweit, wobei vor allem der Wandel der Gesellschaften von staatlichen Verwaltungen und Regierungsformen hervorgehoben werden soll.

„Eigentlich würde ich dieses Thema nicht studieren, wenn ich noch in meinem Heimatland wäre, denn ein Teil meines Studiums ist Politikwissenschaft und Politik ist insgesamt in den letzten Jahren zu einem dramatisch harten Thema dort geworden.“, erklärt eine 27-jährige Studentin. Sie hat sich für den Studiengang entschieden, weil dieser interdisziplinär, also fachübergreifend, ist. Hierbei werden mehrere, verschiedene Bereiche miteinander zu einem Studiengang vereint, wie zum Beispiel auch bei Wirtschaftsrecht.

Sie will bald ihren Abschluss machen und danach auch unbedingt in Deutschland bleiben, was sie wie folgt begründet: „Ich möchte nicht zurück in mein Heimatland, solange sich die politische Situation dort sich nicht ändert. Vor allem im Hinblick auf mein Studium möchte ich später nicht dort politisch sanktioniert werden und eine Strafe erhalten.“

Die Studentin lebt mittlerweile seit über drei Jahren in Deutschland. Ihr größtes Problem am Anfang war das Visum bei der Einreise. Soweit keine anderen Finanzierungsnachweise für das Verfahren vorgelegt werden können, muss der betreffende Studierende ein sogenanntes Sperrkonto für sich selbst einrichten. Darauf muss sich genügend Guthaben befinden, um die anfallenden Kosten abzudecken, die während des Aufenthalts in Deutschland anfallen. Diese werden nach dem jährlichen Regelbedarf für deutsche Studierende bemessen und betragen pro Jahr 10.332€.

Da die 27-Jährige einen Masterstudiengang anstrebte, musste sie ein Sperrkonto für drei Jahre einrichten, also knapp 31 000€ auf einmal darauf einzahlen. „Es war mir aufgrund der wirtschaftlichen Lage und bei den hohen Wechselkursen in meinem Heimatland fast unmöglich, so viel Geld aufzutreiben und zu sperren. Ich habe meine Mutter vor vier Jahren verloren, also hatte ich keinen Familienunterhalt. Deshalb gaben mir 15 meiner Freunde das Geld zum Sperren, ich wollte es ihnen jeden Monat zurückzahlen.“, so die Studierende.

Doch dieser gut durchdachte Plan, sollte der Studentin noch zum Verhängnis werden. Von dem Sperrkonto darf monatlich nur ein gewisser Betrag abgehoben werden, von dem die Studierenden dann in Deutschland ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Darin sind jedoch nicht etwaige Rückzahlungen vorgesehen.

So kam es, dass sich die 27-Jährige zudem noch für ein Stipendium beworben hat. Für dieses wurde sie jedoch direkt abgelehnt, da sie jeden Monat das Geld von dem Sperrkonto bekam. Zwar konnte sie nachweisen, dass der Betrag von den Freunden stammte und sie diesen in Bruchteilen jeden Monat wieder an sie zurück überwies, jedoch wurde diese Geldsumme unter ihrem Namen verzeichnet. Aus diesem Grund wurden ihre Stipendienanträge alle abgelehnt.

Ein weiteres Problem stellte für sie die Sprachbarriere dar. Gießen ist eine kleine Studentenstadt, bei der die möglichen Nebenjobs immer deutsche Sprachkenntnisse voraussetzten. Daher konnte die Studentin monatelang keine Stelle finden, um sich finanzieren zu können.

Das Resümee der Studierenden ist Folgendes: „Insgesamt ist es daher ohne familiäre Unterstützung wirtschaftlich sehr schwer nach Deutschland zu kommen und dort am Anfang zu bestehen. Darüber hinaus betrifft all dieser Stress den Menschen sicherlich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch psychisch, was die Fokussierung auf das Studium sehr erschwert. Außerdem konnte ich zwischen all diesen Job-Arbeiten, Stress und der Uni nicht genug Zeit damit verbringen, Deutsch zu lernen, was die Situation auch noch komplizierter machte. Aber trotzdem würde ich jedes Mal wieder nach Deutschland kommen, um zu studieren. Ich würde aber auf jeden Fall zuerst Deutsch auf einem sehr guten Niveau lernen, damit zumindest die Jobsuche einfacher wäre.

Da die Ausgaben wegen der Rückzahlung des Sperrkontoguthabens zu hoch waren, konnte die 27-Jährige bei Solifonds keinen Semesterbeitragszuschuss in 2019 und 2021 beantragen. Dennoch wurde ihr einmal in 2021 die Coronabeihilfe bewilligt, weil sie keinen Job gefunden hatte. Eine Langzeitkrankenbeihilfe wurde ihr von Solifonds ebenfalls bewilligt.

Trotz der teilweise nicht bewilligten Leistungen, sagt die Studentin folgendes über Solifonds: „Ich bin Solifonds mehr als dankbar, dass sie für diejenigen da sind, die keine staatlichen Leistungen beantragen können. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich in den letzten Monaten, in denen ich meine Abschlussarbeit schrieb und wir uns zwischen all diesen Corona-Pandemie-Schließungssituationen befanden, mein Leben aufrechterhalten konnte. Ohne Solifonds hätte ich in den letzten Monaten nicht einmal meine Miete bezahlen können. Man hat mir damit die Möglichkeit gegeben, mich nicht nur auf meine Abschlussarbeit konzentrieren zu können, sondern mir damit auch eine gewisse psychische Gesundheit gegeben, die ich mit dem Wissen verbinden konnte, dass ich mein Leben aufrechterhalten und eine gute Abschlussarbeit schreiben kann!“

Die 27-Jährige hat mittlerweile ihre Masterarbeit abgeschlossen und hat kürzlich geheiratet. Hier kann man am Ende nur noch Eines sagen: Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die Zukunft.

Copyright: Carolin Wagner